Den nachfolgende Brief hat mir mein Patenonkel wohl Anfang der 70er Jahre geschickt, als er mitbekam, dass ich mich ebenfalls für das Rundfunkthema begeistern konnte.
Aus dem Leben eines jungen Radioamateurs
Er war knapp 18 Jahre alt und man hatte ihn im ersten Weltkrieg als Luftschiffer nach Nordfrankreich und Belgien geschickt. ln seiner Freizeit bastelte er gern. In seiner Nähe war ein Funktrupp und die Funker ließen den jungen Burschen schon mal am Kopfhörer das „tütütüt“ hören. Eines Tages schenkten sie ihm einen beschädigten Kopfhörer. In den zerschossenen Häusern suchte er nach Klingeldraht und wickelte ihn auf eine lange Pappröhre. Er bekam auch einen alten Detektor und probierte so lange, bis er auf Langwelle den Eiffelturm bei Paris hören konnte. Es war freilich zunächst nur das Zeitzeichen .- .—.. Aber er probierte weiter.
Als der erste Weltkrieg zu Ende ging, kam er nach Berlin an die Hauptwetterwarte in Charlottenburg, Von der Telefunkengesellschaft wollte er gern eine Audionröhre erwerben. Aber die lehnte ab, das kam gar nicht in Frage. In Holland konnte man welche erwerben, aber die Einfuhr war verboten.
So musste man den Betrag vorher einzahlen und die holländische Firma sandte die Röhren als "Muster ohne Wert“ nach Deutschland. Oft kam es vor, dass der Heizfaden beim Transport durchgebrochen war.
In Deutschland gab es noch kein “Radio”. Und die Reichstelegrafenverwaltung blieb stur. Sie hatte die Monopolrechte. Der Schweizer W.de Haas (Hanns Günther) wurde Herausgeber einer deutschen Zeitschrift “Radiokosmos" Frankh, Stuttgart und kämpfte für die Einführung eines deutschen Rundfunks. Von seinen Mitarbeitern seien hier genannt: Manfred v. Ardenne, H. Kröncke, E. Nestel, Alexander Stüler, Graf Georg v. Arco u. a.
Zu den Mitarbeitern gehörte auch der spätere Direktor des Nordwestdeutschen Rundfunks, der dem Radioamateu auf seinen dringenden Antrag hin die Errichtung eines Rundfunksenders im südlichen Westfalen auf dem Giersberg bei Siegen zusagte.
Nach der Mittelwelle kam dann auch der UKW-Sender hinzu. Über die Gesellschaft von Freunden der Radio-Telephonie und Telegraphie in Frankfurt a. M. erhielt der hier schreibende Radioamateur namens der Deutschen Reichspost durch die Oberpostdirektion Frankfurt a. M. am 7.5.1925 die Audion-Versuchserlaubnis
(Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Funkempfangsanlage zum Privatgebrauch).
Durch meine technischen Beiträge im Radiokosmos konnte ich für die Zukunft meine Unkosten für Material finanzieren und der Frankhsche Verlag in Stuttgart zahlte nahezu "fürstlich“. Als der Frankfurter Rundfunksender in Betrieb genommen wurde, war ich als einer der Ersten zur Besichtigung im Postscheckgebäude, in dem der „Kleine“ in einem Zimmer untergebracht war. lch traf als Techniker dort einen Mann, mit dem ich 1917 in Flandern dicht nebeneinander gelegen hatte. Ich sagte ihm: " Lachen Sie nicht, aber was Sie hier haben, habe ich ungefähr zuhause auch, wenn auch nur für die Empfangsseite, zum Teil alte Armeeteile, die ich als ausgemusterte Stücke erworben hatte.
Als das Fernsehen seinen Einzug hielt, war ich auf der Funkausstellung in Berlin am Funkturm, um mir die Anlagen anzusehen. Leider war in unseren Siegerländer Bergen der Empfang doch sehr schlecht. Deshalb bin ich heute noch dem Fernmeldeamt Siegen dankbar, dass es meinen Antrag auf Bau eines Umsetzers auf dem Siegerländer Astenberg (Name Obersdorf) für das 2. und 3. Programm so gefördert hat. Heute bedauern wir nur noch, dass man das erste Programm nur schlecht empfangen kann. Der Umsetzer Obersdorf auf dem Astenberg gibt uns ein ausgezeichnetes Bild. Dafür ist der jetzt 75 jährige ehemalige Amateur dankbar.
Heinrich Wilhelm Dohle, 5901 Oberdielfen (geschrieben in den 60er Jahren)